Keine Anwendbarkeit im Widerrufsverfahren
1. Die Zustellungsvorschriften des § 10 AsylVfG finden im Widerrufsverfahren nach § 73 AsyIVfG keine Anwendung.
2. Die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. ASYLVFG § 3 Absatz 2 Satz 1 Nrn. 1 und 3 AsylVfG (u. a. Kriegsverbrechen, Zuwiderhandlungen gegen die Ziele der Vereinten Nationen) für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter können auch nach der Aufnahme des Flüchtlings in Deutschland verwirklicht werden und ihren Widerruf rechtfertigen.
3. Aus schwerwiegenden Gründen ist die Annahme gerechtfertigt, dass die ruandische Hutu-Organisation FDLR im Ostkongo Kriegsverbrechen begangen und den Zielen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat, woran ihr in Deutschland als Asylberechtigter lebender Präsident beteiligt ist.
4. Die Aufnahme einer Person in eine Liste des Sanktionsausschusses des Sicherheitsrats ist kein maßgebliches Kriterium für die Annahme einer Zuwiderhandlung gegen die Ziele der Vereinten Nationen.
Keine fiktive Zustellung, wenn sich ein*e Bevollmächtigte*r bestellt hat
Die Erhebung der Klage, deren aufschiebende Wirkung mit dem gestellten Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO angeordnet werden soll, ist ebenfalls fristgerecht erfolgt. Die ausweislich Blatt 443 der Behördenakte bereits am 01.06.2024 erfolgte Ersatzzustellung des streitgegenständlichen Bescheids in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung per Postzustellungsurkunde (§ 3 VwZG) muss der Antragsteller jedoch nicht gegen sich gelten lassen. Denn nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG muss der Ausländer Zustellungen und formlose Mitteilungen nur dann unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle auf Grund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Vorliegend lag jedoch die Bestellung eines Bevollmächtigten vor. Ausweislich des beigezogenen Verwaltungsvorgangs und der von dem Antragsteller vorgelegten Gerichtsakte wurde der Antragsteller bereits in dem vorangegangenen gerichtlichen Klage- und Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Gießen durch den hiesigen Bevollmächtigten vertreten. In den gerichtlichen Verfahren hatte der Bevollmächtigte eine Vollmacht eingereicht (Blatt 34 der Gerichtsakte), die den Bevollmächtigten auch „zur Vertretung in sonstigen Verfahren“ – wie dem behördlichen Asylverfahren – bevollmächtigte. Weder der Vollmachtsurkunde noch den sonstigen Umständen lässt sich eine Beschränkung auf die gerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Gießen entnehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Bevollmächtigung zwischenzeitlich geendet wäre. Daher ist auch im hiesigen Fortgang des Asylverfahrens des Antragstellers von der Fortdauer der Bevollmächtigung auszugehen.
Keine Zustellfiktion bei irreführender Belehrung
Rn. 26 f.:
Der Bescheid galt auch nicht gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 HS 2 AsylG bereits zu einem früheren Zeitpunkt als zugestellt. Nach § 10 Abs. 4 AsylG hat in einer Aufnahmeeinrichtung diese Zustellungen und formlose Mitteilungen an die Ausländer, die nach Maßgabe des Absatzes 2 Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der Anschrift der Aufnahmeeinrichtung gegen sich gelten lassen müssen, vorzunehmen. Postausgabe- und Postverteilungszeiten sind für jeden Werktag durch Aushang bekannt zu machen. Der Ausländer hat sicherzustellen, dass ihm Postausgänge in der Aufnahmeeinrichtung ausgehändigt werden können. Zustellungen und formlose Mitteilungen sind mit der Aushändigung an den Ausländer bewirkt; im Übrigen gelten sie am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt. Nach § 10 Abs. 7 AsylG ist der Ausländer bei der Antragstellung schriftlich und gegen Empfangsbestätigung auf diese Zustellungsvorschriften hinzuweisen.
Jedenfalls die letztgenannte Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die in dem nach Aktenlage einzig in Betracht kommenden Formular „Wichtige Mitteilung - Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten und - Allgemeine Verfahrenshinweise“ enthaltenen Hinweise sind im vorliegenden Fall irreführend. Dort wird zur Postausgabe in einer Aufnahmeeinrichtung insbesondere ausgeführt, dass nicht abgeholte Post dort für drei Tage für den Adressanten bereitliege. Danach werde sie an die Behörde zurückgesandt. Die Behörde werde dann so verfahren, als ob der Adressat den Brief erhalten hätte. Diese Hinweise sind geeignet, die Vorstellung hervorzurufen, es komme (nur) dann zu einer Zustellungsfiktion, wenn die für den Ausländer gedachte Sendung an den Absender zurückgesandt wird. Ungeachtet der Frage, ob dieser Hinweis die geltende Rechtslage zutreffend widergibt, entspricht er jedenfalls nicht der tatsächlichen Handhabung im Fall der Klägerin, sodass eine Zustellungsfiktion nicht eintritt.