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Androhung der Abschiebung, § 59 AufenthG

1. § 59 Abs. 3 AufenthG

1.1 VG Köln, Urteil vom 18.04.2023, 12 K 3652/20.A

Seite 15 f.:

Die auf §§ 34, 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG, § 59 AufenthG beruhende Abschiebungsan- drohung in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids ist hingegen rechtswidrig.

Zwar steht dem Erlass der Abschiebungsandrohung gemäß § 59 Abs. 3 Satz 1 Auf- enthG das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen.

Mit Blick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch davon auszugehen, dass diese Vorschrift als unionsrechtswidrig anzusehen ist mit der Folge, dass sie im Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie unangewendet zu bleiben hat. Der EuGH hat entschieden, dass Art. 5 Buchst. a und b der Richtlinie 2008/115/EG dahin auszulegen ist, dass er verlangt, das Wohl des Kindes und seine familiären Bindungen im Rahmen eines zum Erlass einer gegen einen Minderjährigen ausgesprochenen Rückkehrentscheidung führenden Verfahrens zu schützen, und es nicht genügt, wenn der Minderjährige diese Interessen im Rahmen eines nachfolgenden Verfahrens betreffend den Vollzug der Rückkehrentscheidung geltend machen kann, um gegebenenfalls eine Aussetzung deren Vollzugs zu erwirken.

Vgl. EuGH, Beschluss vom 15.02.2023 – C-484/22 –, Celex-Nr. 62022CO0484, Rn. 28.

Nach diesen Maßgaben stehen der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung die familiären und Kindswohlbelange des Klägers zu 2. i.S.e. inlandsbezogenen Abschie- bungshindernisses entgegen.

Der Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie ist für den Kläger zu 2., einen Drittstaatsangehörigen, eröffnet, vgl. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie 2008/115/EG.

Unter der Rückkehrentscheidung i. S. d. Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie 2008/115/EG ist im nationalen Recht die Abschiebungsandrohung i. S. d. § 59 AufenthG zu verstehen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.02.2022, – 1 C 6.21 –, Rn. 41, juris, m. w. N.

Der Abschiebung des minderjährigen Klägers zu 2. stehen familiäre Belange i.S.d. Art. 5 lit. b RL 2008/115/EG / Art. 6 GG entgegen. Dies folgt aus dem seiner Mutter, der Klägerin zu 1., nach dem oben unter I. Ausgeführten zustehenden subsidiären Schutz- status gemäß § 4 AsylG.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, dazu, bei der Entschei- dung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weite- ren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindun- gen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Kann die Lebensgemeinschaft zwi- schen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland statt- finden, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspoliti- sche Belange regelmäßig zurück.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.12.2021 – 2 BvR 1333/21 –, Rn. 45 ff., juris

So liegt der Fall hier. Der Kläger zu 2. lebt eine nach Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK schützenswerte Lebens- und Erziehungsgemeinschaft mit seiner Mutter.

Urteil

androhung_der_abschiebung.1683975171.txt.gz · Zuletzt geändert: 2024/07/13 12:10 (Externe Bearbeitung)