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Dublin-Verfahren

1. Art. 16 Abhängige Personen

1.1 VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 29.03.2023, 12 K 846/23.A

Denn die Beklagte ist gemäß Art. 16 Abs. 1 verpflichtet, die Klägerin und ihre Tochter zusammenzuführen. Nach Art. 16 Abs. 1 Dublin III-Verordnung gilt: Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Tochter der Klägerin, hält sich rechtmäßig mit einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG in Deutschland auf. Aus dem vorgelegten Attest des Arztes […] ergibt sich, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen auf die Unterstützung ihrer Tochter angewiesen ist. Hiernach ist die Klägerin […] deutlich in Ihrer Mobilität eingeschränkt und somit auf fremde Hilfe bezüglich Hausarbeiten, Waschen und Essenszubereitung angewiesen. Sie ist aufgrund ihrer Erkrankungen nicht in der Lage, den Alltag alleine zu führen. Ihre in der Bundesrepublik Deutschland lebende Tochter übernimmt neben Alltagsaufgaben wie Haushalt und Einkäufe auch die häusliche Pflege ihrer Mutter. Die Klägerin ist zudem nach eigenen Angaben auf den Rollstuhl angewiesen. Die familiäre Bindung zwischen der Klägerin und ihrer Tochter hat bereits im Herkunftsland bestanden und die Tochter der Klägerin ist in der Lage, ihre Mutter zu unterstützen. Die Klägerin und ihre Tochter haben einen entsprechenden Wunsch auch schriftlich kundgetan – die Klägerin im Verwaltungsverfahren und im vorliegenden gerichtlichen Verfahren, die Tochter der Klägerin mit zur Gerichtsakte gereichten Erklärung vom 3. Februar 2023. Gründe, die entgegen der Regel des Art. 16 Abs. 1 Dublin III-Verordnung die Trennung von Mutter und Tochter rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.

Gerichtsbescheid

2. Art. 29 Modalitäten und Fristen

2.1 Art. 29 Abs. 2 Verlängerung der Überstellungsfrist

2.1.1 VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18.03.2024, 2a K 3003/23.A

Ein Flüchtigsein kann nach der Rechtsprechung angenommen werden, wenn die Überstellung nicht durchgeführt werden kann, weil der Antragsteller die ihm zugewiesene Wohnung verlassen hat, ohne die zuständigen nationalen Behörden über seine Abwesenheit zu informieren, sofern er über die ihm insoweit obliegenden Pflichten unterrichtet wurde, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. Aufgrund der erheblichen Schwierigkeiten, den Beweis für die innere Tatsache der Entziehungsabsicht zu führen und um das effektive Funktionieren des Dublin-Systems zu gewährleisten, darf aus dem Umstand des Verlassens der zugewiesenen Wohnung, ohne die Behörden über die Abwesenheit zu informieren, zugleich auf die Absicht geschlossen werden, sich der Überstellung zu entziehen, sofern der Betroffene ordnungsgemäß über die ihm insoweit obliegenden Pflichten unterrichtet wurde. Wie aus der Verwendung der Zeitform des Präsens in Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO („flüchtig ist“) folgt, muss der Antragsteller im Zeitpunkt der Verlängerung der Dublin-Überstellungsfrist noch (aktuell) flüchtig sein, die Flucht also noch fortbestehen. Für eine Verlängerung der Überstellungsfrist bedarf es keiner Abstimmung zwischen dem ersuchenden und dem ersuchten Mitgliedstaat, sondern genügt, dass der ersuchende Mitgliedstaat den zuständigen Mitgliedstaat vor Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist darüber informiert, dass die betreffende Person flüchtig ist, und zugleich die neue Überstellungsfrist benennt.

Vgl. m. w. N. BVerwG, Urteil vom 17. August 2021 - 1 C 26.20 -, juris Rn. 22 ff.

Dass für eine Überstellung grundsätzlich ein zusammenhängender Zeitraum von sechs Monaten zur Verfügung stehen soll, um die Überstellung zu bewerkstelligen, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil es die Behörde selbst in der Hand hat, bei zwischenzeitlichen Überstellungshindernissen infolge einer Flucht im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO zeitnah durch eine Verlängerung der Überstellungsfrist zu reagieren; etwaige Kommunikationsmängel im Verhältnis zu den mit dem Vollzug der Überstellung betrauten Behörden müsste sich die Behörde zurechnen lassen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2021 - 1 C 42.20 -, juris Rn. 27.

Urteil

Siehe auch:

dublin-verfahren.txt · Zuletzt geändert: 2024/07/13 12:10 von 127.0.0.1