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rechtsirrtuemer [2024/06/07 10:25] – marcel | rechtsirrtuemer [2024/09/19 12:50] (aktuell) – [6. „Der subsidiäre Schutz ist nur ein Jahr lang gültig!“] 194.242.20.103 | ||
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- | ====== Rechtsirrtümer ====== | + | ====== |
- | Eine naturgemäß unvollständige Auflistung populärer Irrtümer, die mir in meiner Beratungspraxis | + | **Eine kleine Sammlung besonders verbreiteter juristischer Mythen, die mir in meiner Beratungspraxis |
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+ | Wird von mir ab und zu mal erweitert, wenn ich gerade Lust dazu und Zeit dafür habe. Heißt, im Klartext: | ||
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- | **Alle Aussagen, die in den nachfolgenden Überschriften getroffen werden, sind falsch!** Die meisten sind allerdings nicht komplett falsch, sondern haben durchaus einen wahren Kern; das Problem besteht eher in einer unzuverlässigen Verallgemeinerung. | + | Alle Aussagen, die in den nachfolgenden Überschriften getroffen werden, sind falsch! |
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- | ===== - Wer arbeitet, bekommt Asyl! ===== | + | Die meisten sind allerdings nicht komplett falsch, sondern haben durchaus einen wahren Kern; das Problem besteht eher in einer unzuverlässigen Verallgemeinerung. |
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+ | ===== - „Wer arbeitet, bekommt Asyl!“ ===== | ||
Gewissermaßen der Klassiker der Rechtsirrtümer in der asylrechtlichen Beratung: Wer „gut integriert“ ist, bekommt Asyl. Denn Leute, die fleißig Deutsch lernen, arbeiten, keine Straftaten begangen, außerdem noch Fußball spielen können und im Kirchenchor mitsingen, brauchen „wir“ doch; wie könnte man ihren Asylantrag da ablehnen? | Gewissermaßen der Klassiker der Rechtsirrtümer in der asylrechtlichen Beratung: Wer „gut integriert“ ist, bekommt Asyl. Denn Leute, die fleißig Deutsch lernen, arbeiten, keine Straftaten begangen, außerdem noch Fußball spielen können und im Kirchenchor mitsingen, brauchen „wir“ doch; wie könnte man ihren Asylantrag da ablehnen? | ||
- | Leider basiert diese Argumentation auf einem grundsätzlich falschen Verständnis der Funktion eines Asylverfahrens. | + | Leider basiert diese Argumentation auf einem grundsätzlich falschen Verständnis der Funktion eines Asylverfahrens. Im Asylverfahren geht es nicht darum, wer wie gut „integriert“ ist, sondern es geht vorrangig um Gefahren, die im Herkunftsland drohen, wie beispielsweise politische Verfolgung. Etwaige Bleiberechte aufgrund von „Integration“ sind im Asylverfahren weder durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das ist die für die Durchführung von Asylverfahren zuständige Bundesbehörde, |
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- | ===== - Wer arbeitet, bekommt ein Bleiberecht! ===== | + | Kurioserweise kann „Integration“ im Asylverfahren sogar zum Nachteil der*des Antragstellers*in ausgelegt werden: Wenn eine Person so „tüchtig“ ist, dass sie in kurzer Zeit eine so schwere Sprache wie die deutsche erlernt und hier eine Arbeit findet, kann man von einer solchen Person nicht auch erwarten, dass ihr dies auch in Mogadischu gelingen wird? |
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+ | Das bedeutet allerdings nicht, dass „Integration“ eine schlechte Idee und völlig nutzlos ist. Denn im Anschluss und ggf. auch nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens kann durchaus versucht werden, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder zumindest einer Duldung aufgrund gelungener „Integration“ hinzuwirken, | ||
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+ | ===== - „Wer arbeitet, bekommt ein Bleiberecht!“ ===== | ||
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+ | Ok, aber das heißt dann doch: Wenn ich anfange zu arbeiten, und mein Asylantrag dann abgelehnt wird, dann darf ich aufgrund meiner Erwerbstätigkeit trotzdem in Deutschland bleiben? Nein, so einfach ist das dann leider auch wieder nicht. In der politischen Debatte wird diese Frage unter dem Stichwort „Spurwechsel“ diskutiert und unnötig ideologisch aufgeladen. | ||
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+ | Leider ist diese politische Debatte in Deutschland diesbezüglich völlig irrational und durch hartnäckige Realitätsverweigerung gekennzeichnet. Statt sich einfach darüber zu freuen, wenn Menschen herkommen und hier arbeiten wollen, hält man lieber hartnäckig am Mythos der „unkontrollierten Massenzuwanderung“ fest, die es in den Griff zu bekommen gelte. Es dominiert daher nach wie vor die konservative Sichtweise, dass ein Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit grundsätzlich voraussetzt, | ||
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+ | Zwar hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich verschiedene Regelungen geschaffen, die einem solchen Spurwechsel zumindest nahekommen. Zu denken wäre hier an die Beschäftigungsduldung (§ 60d AufenthG), die „Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldete zum Zweck der Beschäftigung“ nach § 19d AufenthG und die stichtagsgebundene Regelung zum Spurwechsel nach Rücknahme eines Asylantrags in § 10 Abs. 3 Satz 5 AufenthG. Allen diesen Vorschriften ist gemein, dass sie an eine Vielzahl von weiteren Voraussetzungen gekoppelt sind, sodass im Ergebnis nur eine eher überschaubare Anzahl von Personen von ihnen profitiert. Im Einzelfall kann auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG unter dem Stichwort der „Verwurzelung“ in Frage kommen, auch das ist allerdings wieder ein spezielles und sehr kompliziertes Thema. Ob eine dieser Regelungen im konkreten Fall weiterhelfen kann, muss einer sorgfältigen Einzelfallberatung vorbehalten bleiben. Fest steht jedenfalls: Einen Automatismus im Sinne von „Ich arbeite, also bleibe ich!“ gibt es gerade nicht. | ||
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+ | Ein Sonderfall in diesem Zusammenhang sind Berufsausbildungen, | ||
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+ | ==== - „Wer studiert, darf in Deutschland bleiben!“ ==== | ||
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+ | Das ist gewissermaßen eine Variante des vorherigen Abschnitts, aber da auch insoweit falsche Vorstellungen kursieren, noch mal ganz ausdrücklich: | ||
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+ | Verwirrend ist hierbei insbesondere, | ||
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+ | Vollständigkeitshalber sei erwähnt, dass es durchaus auch Studiengänge gibt, die zugleich als Ausbildung gelten. Ein Beispiel hierfür wäre der Studiengang „[[https:// | ||
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+ | ===== - „Wer in Deutschland geboren wurde, ist deutscher Staatsangehöriger!“ ===== | ||
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+ | Eine weit verbreitete falsche Vorstellung ist auch, dass man, wenn man in Deutschland geboren wird, automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt. Es gibt grundsätzlich zwei Modelle, nach denen ein Staatsangehörigkeitsrecht aufgebaut sein kann: Das „ius sanguinis“ („Recht des Blutes“) und das „ius soli“ („Recht des Bodens“). Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht wird nach wie vor vom Gedanken des „ius sanguinis“ dominiert: Das bedeutet, deutsch ist, wer ein deutsches Elternteil hat, § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG. Zwar wurde diese Regel schon vor einiger Zeit durch Ansätze eines „ius soli“ ergänzt, § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG. „Ius soli“ bedeutet, dass ich alleine dadurch, dass ich auf einem bestimmten staatlichen Territorium geboren werde, erhalte ich die Staatsangehörigkeit dieses Staates. So wird es beispielsweise immer über die USA berichtet, inwiefern das tatsächlich zutrifft, entzieht sich meiner Kenntnis. | ||
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+ | In Deutschland setzt diese Regelung allerdings nicht nur voraus, dass ich in Deutschland geboren werde, sondern zudem auch, dass eines meiner Elternteile schon seit acht (bald: fünf) Jahren **rechtmäßig** in Deutschland sein und zum Zeitpunkt der Geburt ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat. | ||
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+ | Die Betonung liegt auf „rechtmäßig“. Nicht rechtmäßig in diesem Sinne ist insbesondere ein nur geduldeteter Aufenthalt. Die Kinder (vormals) geduldeter Eltern erhalten also auch dann nicht die Staatsangehörigkeit, | ||
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+ | ===== - „Wer fünf Jahre in Deutschland ist, kann eingebürgert werden!“ ===== | ||
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+ | Das Staatsangehörigkeitsrecht wird reformiert. Die Reform tritt in wenigen Wochen in Kraft, und wird für einige Menschen Verbesserungen mit sich bringen, für andere nicht, aber das soll hier nicht das Thema sein. Worauf es hier ankommt, ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen: Über anstehende Änderungen wird auf diversen Kanälen berichtet; nur sind die Berichte leider ungenau und es bleiben wesentliche Aspekte auf der Strecke, sodass im Ergebnis ein falscher Eindruck entsteht. | ||
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+ | Der Anspruch auf Einbürgerung ist geregelt in § 10 Abs. 1 StAG. Dieser setzt bislang einen **rechtmäßigen** Aufenthalt von acht Jahren voraus, der unter Umständen abgekürzt werden kann, auf sechs Jahre. In Zukunft reicht dann ein rechtmäßiger Aufenthalt von fünf Jahren aus, der abgekürzt werden kann, auf drei Jahre. So oder so müssen noch diverse weitere Voraussetzungen vorliegen. | ||
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+ | Die Betonung liegt allerdings auch hier auf dem Wörtchen „rechtmäßig“. Nicht als rechtmäßig in diesem Sinne gilt insbesondere ein Aufenthalt in der Duldung (§ 60a AufenthG). Auch ein gestatteter Aufenthalt (§ 55 AsylG) während eines Asylverfahrens kann nur unter Umständen angerechnet werden. Wer also bereits seit zehn Jahren in Deutschland ist, aber erst seit einem Jahr eine Aufenthaltserlaubnis hat und die neun Jahre zuvor geduldet war, hat keinen Anspruch auf eine Einbürgerung. | ||
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+ | ===== - „Wer fünf Jahre in Deutschland ist, bekommt einen Chancen-Aufenthalt!“ ===== | ||
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+ | Ok, dann kann ich also nicht eingebürgert werden, aber immerhin kann man doch nach fünf Jahren in Deutschland ein Chancen-Aufenthaltsrecht nach § 104c AufenthG bekommen? Leider hat auch diese Sache einen Haken. Abgesehen davon, dass auch für ein sog. Chancen-Aufenthaltsrecht noch ein paar andere Voraussetzungen vorliegen müssen, die allerdings in der Tat vergleichsweise niedrigschwellig ausgestaltet sind, ist das Chancen-Aufenthaltsrecht stichtagsgebunden. Das bedeutet, dass die fünf Jahre andauernde Voraufenthaltszeit bereits am 31.10.2022 vorhanden gewesen sein muss. Praktisch bedeutet das, dass nur Menschen, die schon seit Oktober 2017 in Deutschland sind, von der Regelung profitieren können. Anders herum ausgedrückt: | ||
- | ===== - Wer fünf Jahre in Deutschland | + | ===== - „Der subsidiäre Schutz |
- | ===== - Wer fünf Jahre in Deutschland | + | Das deutsche Asylrecht kennt verschiedene Schutzstatus (Asylberechtigung, |
- | ===== - Der subsidiäre Schutz ist nur ein Jahr lang gültig ===== | + | Daraus hat sich unter Geflüchteten der Sprachgebrauch entwickelt, dass jemand „ein Jahr“ oder „drei Jahre“ bekommen habe, womit eben gemeint war, dass jemand subsidiären Schutz oder eben die Flüchtlingseigenschaft bekommen habe. Dieser Sprachgebrauch ist allerdings insoweit überholt, als mittlerweile auch für den subsidiären Schutz eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt wird. Dies ist eine der wenigen sinnvollen Änderungen im ansonsten einigermaßen unsäglichen „Rückführungsverbesserungsgesetz“ der Ampel. |
- | ~~socialite~~ | + | Die Tatsache, dass im Falle eines Abschiebungsverbots oder bis zum Februar dieses Jahres die Aufenthaltserlaubnis üblicherweise nur für ein Jahr erteilt wird bzw. wurde, wurde häufig zu Unrecht dahingehend missverstanden, |
+ | Solange der Schutzstatus aber fortbesteht, | ||
+ | In diesem Sinne: Es gibt durchaus beträchtliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Schutzstatus. Allerdings bieten sie alle einen effektiven Schutz vor Abschiebung in Bezug auf einen bestimmten Zielstaat, der auch prinzipiell erst einmal keiner Befristung unterliegt. |
rechtsirrtuemer.1717748740.txt.gz · Zuletzt geändert: 2024/07/13 12:10 (Externe Bearbeitung)