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Griechenland

1. BVerwG, Urteil vom 16.04.2026, 1 C 18.24

Keine unmenschliche oder erniedrigende Aufnahmesituation für nichtvulnerable anerkannte Flüchtlinge in Griechenland

Leitsatz:

Nichtvulnerablen männlichen Drittstaatsangehörigen, denen in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt worden ist, drohen aktuell bei einer Rückkehr nach Griechenland keine mit Art. 4 GRC unvereinbaren Lebensbedingungen. Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass sie in eine Lage extremer materieller Not geraten, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Verpflegung und Hygiene zu befriedigen.

2. VG Hannover, Beschluss vom 21.07.2025, 15 B 6309/25

Leitsätze:

1. Das aktuelle Urteil des BVerwG (1 C 18.24) ist nicht geeignet, die Einschätzung zahlreicher NGOs und mehrerer Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte aus den vergangenen Jahren in Zweifel zu ziehen, dass anerkannten Schutzberechtigten in Griechenland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Obdachlosigkeit droht.

2. 1.000 Betten in Obdachlosenunterkünften sind nicht ausreichend, um die Zehntausenden von Schutzberechtigten aufzunehmen, die in Griechenland jährlich anerkannt werden.

3. Das BVerwG beachtet den Amtsermittlungsgrundsatz nicht hinreichend, wenn es die Feststellungen zuverlässiger Nichtregierungsorganisationen, dass griechische Obdachlosenunterkünfte überfüllt und für Schutzberechtigte kaum zugänglich sind, verwirft, ohne eigene Ermittlungen zu deren Auslastung und Zugänglichkeit anzustellen.

4. Es ist rechtswidrig, wenn Gerichte, die ihrerseits an Recht und Gesetz gebunden sind, geflüchtete Menschen zum Rechtsbruch animieren, indem sie sie darauf verweisen, ihren Lebensunterhalt mit „Schwarzarbeit“ in der „Schattenwirtschaft“ zu verdienen.

5. Geflüchtete auf „Schwarzarbeit“ in Griechenland zu verweisen, ist auch deswegen unzulässig, weil ihnen in der „Schattenwirtschaft“ mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit prekäre Lebensbedingungen und Ausbeutung drohen.

3. VG Aachen, Beschluss vom 09.10.2025, 10 L 839/25.A

Frauen sind keine Männer

aa. Die Antragstellerin gehört zunächst nicht zu der Gruppe von Personen, hinsichtlich derer das BVerwG entschieden hat, dass ihnen aktuell bei einer Rückkehr nach Griechenland keine erniedrigenden oder unmenschlichen Lebensbedingungen drohen. Anders als im Rahmen seiner Entscheidungen über sogenannte Tatsachenrevisionen hinsichtlich der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage im Zielstaat Italien, wo das BVerwG jeweils „die Gruppe der nichtvulnerablen Drittstaatsangehörigen“ in den Blick nahm,

vgl. BVerwG, Urteile vom 21. November 2024 - 1 C 23.23 -, juris, Rn. 14, und - 1 C 24.23 -, juris, Rn. 15,

grenzte es die maßgebliche Personengruppe in seinen vorstehend genannten Entscheidungen hinsichtlich der Lage im Zielstaat Griechenland stärker ein, indem es ausdrücklich nur auf die „Gruppe der männlichen nichtvulnerablen Drittstaatsangehörigen“ abstellte.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. April 2025 - 1 C 18.24 -, juris, Rn. 14, und - 1 C 18.24 -, juris, Rn. 13; vgl. ebenso auch: OVG NRW, Beschluss vom 2. September 2025 - 11 A 2431/24.A -, juris, Rn. 47.

Nur insofern hat sich auch die Kammer dieser bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angeschlossen.

Vgl. VG Aachen, Beschlüsse vom 25. August 2025 - 10 K 1949/25.A -, juris, Rn. 33, und vom 28. Juli 2025 - 10 L 633/25.A -, juris, Rn. 47; zur Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung in anderen Konstellationen vgl. demgegenüber: VG Aachen, Beschlüsse vom 22. August 2025 - 10 L 683/25.A -, juris, Rn. 35 (Vulnerabilität) und vom 9. Juli 2025 - 10 L 647/25.A -, juris, Rn. 32 (Ehepaar).

Die Antragstellerin ist demgegenüber jedoch unbestrittenermaßen weiblichen Geschlechts.

bb. Auch ist nach Auffassung der Kammer jedenfalls ernstlich zweifelhaft, ob die in Bezug auf männliche nichtvulnerable Drittstaatsangehörigen, denen in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt worden ist, ergangene Rechtsprechung des BVerwG auf weibliche Drittstaatsangehörige übertragen werden kann. Soweit dies vereinzelt unter Verweis auf die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Lage in Italien angenommen wird,

vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 18. August 2025 - W 4 S 25.33868 -, juris, Rn. 32 ff. unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 1 C 24/23 -, juris, Rn. 88.

vermag dies die Kammer schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die in den genannten bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen jeweils vorgenommenen Beurteilungen der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lagen in Italien bzw. Griechenland maßgeblich von den tatsächlichen Verhältnissen in den jeweiligen Staaten abhängen, die naturgemäß divergieren (können), sodass in Bezug auf Italien getroffene Feststellungen nicht ohne Weiteres auf Griechenland übertragen werden können. Überdies erscheint die Übertragbarkeit der bzgl. Italien praktizierten Gleichbeurteilung der Lage hinsichtlich männlicher und weiblicher Schutzberechtigter auf die Beurteilung der Situation in Griechenland auch deshalb ernstlich zweifelhaft, weil das BVerwG seiner Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in Italien von vornherein eine andere, nämlich gegenüber der bei seiner Beurteilung der Lage in Griechenland in den Blick genommenen Personengruppe weiter gefasste und gerade nicht – wie dort – auf männliche Personen begrenzte Personengruppe zugrunde legte.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 1 C 24.23 -, juris, Rn. 88; dazu auch schon soeben unter aa.

Auch unabhängig davon bestehen ernstliche Zweifel an der Übertragbarkeit der in Bezug auf männliche Drittstaatsangehörige getroffenen Bewertung auf weibliche Personen, denen in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt worden ist. So hat das BVerwG etwa zum Erhalt einer Unterkunft ausgeführt, dass für nach Griechenland zurückkehrende Schutzberechtigte weder die Möglichkeit einer Unterkunft in staatlichen Einrichtungen, noch der Zugang zu einer Unterkunft auf dem freien Wohnungsmarkt hinreichend wahrscheinlich ist, für nichtvulnerable männliche Schutzberechtigte jedoch aktuell nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Griechenland dort nicht zumindest eine (ggf. temporäre, wechselnde) Unterkunft oder Notschlafstelle mit einem Minimum an erreichbaren sanitären Einrichtungen, die von kommunalen Trägern oder nichtstaatlichen Hilfsorganisationen betrieben werden, finden können.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 2025 - 1 C 18.24 -, juris, Rn. 35 ff., 43,

Diese Annahme ist im Rahmen der vorliegend allein summarischen Prüfung nach Auffassung der Kammer derzeit nicht uneingeschränkt auf die Personengruppe der alleinstehenden Frauen übertragbar. Denn für diese Personengruppe dürften ungeachtet eines möglicherweise mit alleinstehenden männlichen Schutzberechtigten vergleichbaren Durchsetzungsvermögens jedenfalls weitergehende bzw. andere Bedürfnisse anzunehmen sein. Etwa handelt es sich bei möglicherweise erreichbaren Notunterkünften häufig um Unterkünfte ohne Rückzugsräume, die ausschließlich von (fremden) Männern bewohnt werden.

Vgl. etwa VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27. August 2025 - 18a L 1375/25.A -, juris, Rn. 30 f.; VG Hamburg, Beschluss vom 13. August 2025 - 12 AE 5505/25 -, juris, Rn. 6; VG Hannover, Beschluss vom 6. August 2025 - 2 B 7190/25 -, juris, Rn. 23 f., und VG Gießen, Beschluss vom 16. Juli 2025 - 1 L 3807/25.GI.A -, juris, Rn. 10 ff.

Die Kammer hält daher derzeit für die Personengruppe der weiblichen international Schutzberechtigten weiterhin an ihrer bisherigen Rechtsprechung fest und geht davon aus, dass für Angehörige dieser Personengruppe im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland dort die ernsthafte Gefahr einer erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK besteht. Insoweit wird Bezug genommen auf die bisherigen Ausführungen der Kammer.

Vgl. etwa VG Aachen, Urteile vom 11. April 2025 - 10 K 2848/24.A -, juris, Rn. 27 ff., und vom 20. März 2025 - 10 K 2977/24.A -, juris, Rn. 41 ff.

Beschluss

4. VG Düsseldorf, Urteil vom 07.10.2025, 13 K 8966/25.A

Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des stattgebenden Beschlusses im Eilverfahren (13 L 3219/25.A) vom 30. September 2025 Bezug genommen.

Anmerkung: Der entsprechende Eilbeschluss findet sich direkt hierunter.

Urteil

5. VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2025, 13 L 3219/25.A

Denn die Antragstellerin unterfällt als Frau nicht der vorgenannten Gruppe.

Beschluss

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griechenland.txt · Zuletzt geändert: von marcel